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South Africa's Real Heroes - Part III

Aktualisiert: 9. Nov. 2019

The New Brighton Gang


Alle in den vorherigen zwei Parts des Artikels geschilderten Ereignisse, passierten im ersten Drittel meines Freiwilligenjahres. Wie man vielleicht beim Lesen merkt, ein Zeitabschnitt in dem ganz schön viel passiert ist. Insbesondere wenn man bedenkt, dass ich mich dazu noch auf der Arbeit einleben und in einem völlig unbekannten Kulturellenumfeld klar kommen musste. Partiell wurden meine Neuronen derart mit neuen Einflüssen überrannt, dass ich mich heute immer wieder gerne daran erinnere, wie ich teilweise die simpelsten Dinge nicht mehr auf die Kette gekriegt habe.

Mit am amüsantesten war, wie ich unsere Fronttür quasi zum Schlüsselbrett umfunktioniert habe, in dem ich gefühlt jeden zweiten Morgen, dort beim Abschließen einfach den Schlüssel stecken ließ. Im Nachhinein wohl wieder eine dieser „kritisch-noch-knapp-gutgegangen-Situationen“, wenn man an die nicht grade moderate Einbruchsrate in unserer Nachbarschaft denkt.


Nach diesem ersten Drittel gab es jedoch einen kleinen Bruch. Nachdem ich mit meiner Mutter aus dem Urlaub zurückkam, diese hatte mich nämlich über Silvester besucht und wir haben einen kleinen Roadtrip unternommen, war irgendwie nichts mehr so wie vorher.

Süß oder? Nur gut, dass bei der Abnahme des Mietwagens der Unterboden nicht gecheckt wurde.


In dem Text zwar kaum vorkommend, weil nicht wirklich ins Thema passend, dennoch wichtig fürs Verständnis, ist zu wissen, dass es da noch eine andere Clique gab mit der ich in den ersten vier Monaten häufig etwas unternahm. Sie bestand aus überwiegend schwarzen Studenten aus der Mittelschicht im Alter von 21 bis 25, mit denen ich in der Tat ähnlich eng war, wie mit den Leuten aus Missionville. Den einen nannte ich eine Zeit lang sogar 'one of my by far closest friends' und eines der Mädels im Gruppenumfeld datete ich für eine Zeit. Bedauerlicherweise ging dies dann nach einigen Dramen um Januar herum leider in die Brüche. Und selbst im Missionville-Township ging irgendwie nicht mehr so viel. Ich hatte nur noch unregelmäßigen Kontakt mit Levern und Fragrence ging es in dieser Zeit gesundheitlich nicht so gut.

Weekend-away mit meiner alten Clique

Ich stand nach 4 Monaten in Südafrika also gewissermaßen wieder am Anfang. Eine kurze Zeit lang fing ich an zu zeichnen und zu schreiben, auf diese Art und Weise ist lustigerweise, tatsächlich dieser Blog entstanden. Kaum zu glauben, aber wahr. Es gab im Januar sogar ganz kurz mal Wocheneden, an denen ich nicht weg und nicht arbeiten war.


Inspiriert von der südafrikanischen Oberschicht mit ihren riesigen Gärten und hohen Mauern, die sie nur ungern verlassen

Doch dann trat zum Glück die New Brighton Gang in mein Leben und errette mich aus meiner drögen Freizeitgestaltung. Die New Brighton Gang oder wie sie aus Verwechslungsangst mit echten Gangs aus New Brighton bestimmt lieber genannt werden wollen: 'Rising Youth Movement', sind so um die 8 junge Erwachsene aus dem New Brighton Township, (wer hätte das gedacht), die sich neben ihren privaten Aktivitäten überdies viel ehrenamtlich engagieren.

Von den Vorfreiwilligen mit unseren Handynummern ausgestattet, schrieben sie uns eines Tages Ende Januar an, weil sie uns näher kennen lernen wollten. Saliu, dem vor 3 Wochen aus dem Nichts sein komplettes Sozialleben abhandengekommen war, war selbstverständlich mehr als gehyped und organisierte allen voraus ein Kennenlernen. Leider hatten nur ein paar Jungs von uns Interesse, doch das war an dem Punkt eh schon egal.

Gesagt getan und ab zum Billiardspielen nach Summerstrand (der Touristengegend von Port Elizabeth). Wir hatten einen echt super Sonntag Nachmittag zusammen und eine Woche später nahmen Matthis und ich an einer sogenannten Park Invasion der Gruppe im Motherwell Township Teil.

Ich würde sagen, eine Park Invasion löst bei Kindern ungefähr das aus, was ein Überraschungs-Wellness-Wochenende als Geburtsgeschenk bei deiner Freundin auslösen würde. Man könnte eine Park Invasion theoretisch ebenso umtaufen in: Das Rundum-Sorglos-Spaßpaket für dein Kind, danach garantiert mindestens ein Tag Stressfrei.



Wir spielten mit den verschiedenen Altersgruppen eine Menge kleiner Spiele, sangen und tanzten zusammen und am Ende gab es für alle Kekse und Saft, bezahlt aus den privaten Geldbeuteln der Rising Youth Movement Mitglieder. Folglich schon eine verdammt coole Aktion. Matthis und ich hatten auf jeden Fall einen Heidenspaß. Das i-Tüp­fel­chen war dann noch, wie von der Crew nach uns geschaut wurde. Als Matthis und ich zum Beispiel dachten, dass wir mittlerweile schon richtige Südafrikaner wären und jetzt einfach mal kurz Im Township zu Fuß aus dem Auto meine Banane holen könnten, kam direkt einer von den Jungs hinterher gejoggt, um für uns Bodyguard zu spielen.

Für Matthis war dieser Tag eines der Highlights des Jahres und für mich hat mit diesem Tag ein ganz neuer Abschnitt in Südafrika begonnen. Mit diesen Jungs und Mädels habe ich so viel durchgemacht, so viele verrückte Sachen erlebt und sie sind echte Freunde für mich geworden, trotz dass wir aus ganz verschieden Welten kommen.


Klar, manchmal hat man die Unterschiede schon gemerkt. Zum Beispiel als wir bei Bora, ein Kumpel vom Gruppenleader Simphiwe, Zuhause waren und uns amerikanische Late-Night-Shows auf seinem Laptop reinzogen, ich plötzlich auf Toilette musste und mir Bora einfach einen Eimer hinstellte. Als ich ihn daraufhin völlig verdattert anschaute, sagte er 'You can use that', bis mir auf einmal aufging, dass Boras Zwei-Zimmer-Flat, gar kein Bad hatte.

Noch besser wurde es, sobald ich vom Ausleeren des Eimers in den Abfluss draußen zurückkam und nach Seife zum Händewaschen fragte und er mich jetzt wiederum total überrascht anschaute und meinte, wozu ich denn bitte Seife bräuchte.

Diese kleineren interkulturellen Missverständnisse waren immer wieder aufs Neue amüsant.


Selbstverständlich wurde es auch manchmal nervig, da fast keiner aus der Gruppe arbeitete, sondern die meisten sich ausschließlich ehrenamtlich betätigten oder zusätzlich nur studierten, war nie Geld da. In der Zeit habe ich, gefühlt, einen Bachelor in Logistik absolviert, indem ich lernte, wie man mit einem Auto, was man sich mit 9 anderen Freiwilligen teilen muss, Uber und öffentlichen Mini-Taxis, 8 Xhosa guys möglichst günstig von Punkt A nach Punkt B und wieder zurückkriegt.


Rückblickend übrigens sehr interessant ist, wie große Probleme ich anfangs beim Verständnis des Slangs der Jungs und Mädels hatte, was bei der Mittelklasse-Clique, die ich vorhin erwähnt habe, im Vergleich überhaupt gar kein Thema war. Für mich war es super überraschend, wie unterschiedlich Südafrikaner aus dem gleichen Kulturkreis (Xhosa und Zulu), der gleichen Stadt und im gleichen Alter miteinander kommunizieren, nur weil sie in anderen Stadtteilen groß geworden sind und andere Schulen besuchten. Zum Beispiel spricht meine New Brighton Clique untereinander fast ausschließlich Xhosa, wohingegen meine erste Clique sogar untereinander sehr häufig Englisch sprach.


Gelohnt hat es sich trotzdem fast immer. Mit der Gang, war ich an den absolut verrücktesten Orten im tiefsten Township feiern. Manchmal habe ich alle auch my-side geholt und mit meiner Musikbox, sowie anstößigen Liedern, als auch anstößigen Tanzmoves im Gepäck haben wir entweder die reichen Viertel der Stadt oder die Cherrys an den Stränden PE's unsicher gemacht, je nach dem wonach uns gerade war.

Nach dem Baden im Meer, auf dem Weg zum Billiard / Summerstrand, Port Elizabeth

Die Jungs haben meine Poolbilliard-Skills fast auf EuroSport-Niveau gehoben, weil wir eine Zeit lang quasi nichts anderes mehr gemacht haben. Ich bin mit der Crew ein ganzes Wochenende in die Berge gefahren, wo die 'Girlfriends' uns mit ihren bezaubernden Kochkünsten einen kompletten All-Inclusive Urlaub gegönnt haben, während wir so dumme Jungssachen machten, wie Berge hochklettern und Lagerfeuer anzünden.

Zusammen haben wir tolle Aktionen für die jugendlichen der Stadt auf die Beine gestellt, es war wirklich eine unfassbare Zeit.


Was ein Schlingel...Macht er hier ein auf Profi

Mir persönlich ging es dabei gar nicht mal so darum, was wir alles unternommen haben, sondern eher darum dass wir so viel Zeit miteinander verbringen konnten. Denn das hat mir oft bereits gereicht, da es immer wieder aufs neue, hochtrabend ausgedrückt, inspirierend war mit der Gang unterwegs zu sein.

Wenn dir erzählt wird, wie Leute sich drei Jahre lang für einen Hungerlohn in einem der besten Hotels der Stadt abarbeiteten, um sich etwas aufzubauen, mit dem Ziel von der Alkohol durchsetzten Familie wegzukommen. Danach angeschnauzt wurden, als sie nach einer kleinen Gehaltserhöhung fragten und sich jetzt einfach mit ihrem Traum selbstständig machen wollen. Dann lässt dich das nicht unberührt.

Beim Weggehen von Auftragsmorden und Kindeshinrichtungen zu hören und zu wissen, das ist hier Lebensrealität, das prägt dich. Frauen, die dir davon erzählen wie schwierig es ist, eine 60 Stunden Woche, die eigenen Kinder und die Kinder der Alkoholkranken Schwester unter einen Hut zu kriegen. Die dir berichten, wie es ist mit 30 noch bei der Mutter zu wohnen, weil in die Wellblechhütte in die man eigentlich ziehen wollte, um wenigstens ein bisschen Privatsphäre zu haben, immer wieder eingebrochen wurde, so etwas lässt dich nicht los. Personen, die sich mir über krasse häusliche Gewalt im Elternhaus öffnen. Mir wurde so eine große Menge Vertrauen in dieser Zeit geschenkt. Aber wisst ihr was das krasseste ist?


Diese Leuten wussten, dass ich als 19-Jähriger, der theoretisch noch nichts in seinem Leben geschafft hatte, locker doppelt so viel auf dem Konto hatte wie sie und sie haben mich kein einziges Mal nach Geld gefragt. Da war nicht der kleinste Funke Neid in ihren Augen zu sehen, sondern ich wurde so behandelt, als würde ich zur Verwandtschaft gehören, immer.

Sogar Leute, die mich kaum kannten, sind mir mit einer Freundlichkeit begegnet, die in Deutschland fast gar nicht zu finden ist . Obwohl diese Personen oft Tage hinter sich hatten, die für etliche Deutsche, polemisch ausgedrückt, einer der schlimmsten Tage ihres bisherigen Lebens gewesen wäre.


In Südafrika habe ich mich das Erste Mal in meinem Leben nicht fremd gefühlt und das liegt nur an den unglaublich tollen Menschen, die ich hier kennenlernen durfte und dafür bin ich zutiefst dankbar und ich möchte, dieses Lebensgefühl der Wertschätzung der kleinen Dinge im Leben an alle Menschen, denen ich in Zukunft begegnen werde weitergeben. Ein kleiner Anfang ist, dafür danke zusagen, dass du dich mit diesem viel zu langen Blogeintrag bis zum Ende befasst hast. Ich hoffe, er hat dir gefallen.

Sharp guys! Im out!




Zum Abschluss muss ich, denke ich, anmerken, dass ich während meines Jahres ebenso mit der Mittel- und Oberschicht des Landes gehangen habe und dass man mit denen ebenfalls einen Haufen Spaß haben kann. Jedoch für mich persönlich die Township-Erfahrungen die deutlich prägenderen waren. Trotz alledem, waren zahlreiche der Sachen, die ich gemacht habe sau gefährlich und ich würde sie auf keinem Fall irgendwem weiterempfehlen.


Mir war es das Risiko vor allen Dingen aus einem Grund wert.

Nach 1 – 2 Monaten schon im Township herumzulaufen, einzuschlafen und aufzuwachen, Erfahrungen für die ich Fragrence, glaube ich, mein Leben lang dankbar sein werde, hat mich, erst in die Lage versetzt, mit den Kids überhaupt auf einer Ebene zu kommunizieren.

Ich meine, das ist schließlich der Ort, wo die meisten unserer Kinder geboren wurden, ihre Ferien verbringen und die Gegend, in die sie nach dem Aufenthalt im Haven wahrscheinlich leider auch wieder zurückkehren müssen.

Wenn man die Grausamkeiten und Wunder des Townships nicht verstanden hat, dann wird man meiner Meinung nach ebenso die Kinder nie verstehen.


Ich meine, wie soll man jemanden verstehen, wenn man weder weiß, wie sein sozio-ökomisches Umfeld aussieht, noch was er als Erstes sieht, wenn er morgens seine Augen aufschlägt. Besonders, wenn alles vom Aufwachen bis zum Einschlafen zu der Gqom-Musik der Nachbarn, mal so komplett anders ist als in Deutschland.


Dass wenn man mir dabei etwas passiert wäre, ich das ganze Programm gefährdet hätte, ist dabei die andere Seite der Medaille. Ich hoffe einfach, dass ich durch meine extreme Vorsicht, (ich weiß, die ist jetzt im Blog nicht ganz so rübergekommen, doch die war definitiv vorhanden), kein schlechtes Gewissen für mein Handeln haben muss.

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